Ich. Einer. Unternehmer.

Unter meinen bevorzugten Mantras, die ich seit Jahren herbete, gehört auch folgende, die etwas länger geraten ist: „Von den hundert Prozent der heimischen Betriebe sind über 60 Prozent EPU. Die gehören zu den über 90 Prozent KMU, nur der Rest sind große Companies.“

(Quelle: WKO)

Das wird in meinen Milieu nicht so gerne debattiert. EPU sind Einpersonen-Unternehmen, also Betriebe, die ein bis zwei Leuten Brot geben. Dazu zählen wir Freelancers, die in der Kunst leben. Genau! Künstler zu sein ist unter anderem ein Beruf.

Da muß ich mich nicht bloß künstlerischen, sondern auch unternehmerisch bewähren. (Das inkludiert etwa Buchhaltungsfragen und Steuererklärungen, die mir stets viel Kummer machen, weil ich ein Tabellen-Legastheniker bin.)

Ich kenne Großmäuler, die herumposaunen, daß der Künstler sich bloß mit Kunst befassen solle, mit sonst nichts. Fein! Wer mit eigenen Kunstwerken auf dem Markt genug erwirtschaftet und Leute bezahlt, die ihm das Management abnehmen, kann das einlösen. Oder reich heiraten. Oder bei der Wahl der Eltern Sorgfalt zeigen und fett erben.

Aber der Rest von uns muß ohne große Klappe vorankommen und den unternehmerischen Part ebenso hinbekommen wie den künstlerischen. Und weil da viel Ideologie mitschwingt, reden meine Leute nicht gerne darüber, daß es von zirka hundert verschiedenen Lebenskonzepten handelt, wenn jemand als Künstlerin, als Künstler existieren möchte.

Ich war übrigens mit meinen „über 90 Prozent KMU“ in der Mantra etwas ungenau. Die Wirtschaftskammer hat es grade präziser eruiert. Ganze 99,6 % aller österreichischen Betriebe sind KMU, also Betriebe bis maximal 249 Beschäftigte. Zum Großteil handelt es sich bei KMU freilich um Betriebe mit weniger als zehn Angestellten.

Gleich vorweg: 50 –249 Beschäftigte finden sich bloß in schmalen 2,1 Prozent der Betriebe, die als „Mittlere Unternehmen“ gelten. Kleinunternehmen (10–49 Beschäftigte) machen zarte 12,9 Prozent aus. Den Hauptanteil, nämlich 84,6 Prozent, ergeben Kleinstunternehmen mit bis zu 9 Beschäftigten. Dazu zählen wir Kunst-Freelancers; wie schon erwähnt, meistens ein bis zwei Leute im selben Boot = EPU.

Die Kammer läßt wissen: „Fast zwei Drittel aller Beschäftigten der gewerblichen Wirtschaft finden bei KMU einen Arbeitsplatz. Zudem tätigen KMU fast 59 Prozent der jährlichen Bruttoinvestitionen (rund 17 Mrd. Euro). Heimische KMU spielen für die Lehrlingsausbildung eine wichtige Rolle, denn sie bilden fast zwei Drittel der Lehrlinge aus.“

Sie fragen mich doch jetzt nicht, weshalb in Zeiten der Corona-Krise so auffallend viele gut situierte Company-Bosse merklich reicher wurden, warum sich manch ein Konzernchef selbst Millionen an Gewinn auszahlen konnten, während der nämliche Betrieb Millionen Corona-Stütze bezog. (Neue Zeit: „Superreiche gewinnen in der Krise 3,2 Mrd. Euro“) Sie fragen mich doch jetzt nicht nach einzelnen Namen und nach einer Regierung, die das gewuppt hat. Klären wir erst einmal, wo das mit wem debattiert werden müßte. (Quelle der Zahlen: WKO)

— [Hart am Wind: Die Übersicht] —

Autor: Franz Blauensteiner

Kulturarbeiter - Theatermacher - übüKULTUR Hackler Vater Übü, alias Franz Blauensteiner Artdirektor und Theatermacher "Scheitern gehört zum Programm." Vom analogen Bühnenstück zum Low Budget Wild Style Movie in Episoden – dem Theaterfilm. übüFamily: übüDigital-übüFilm und übüLive | Digitale Kunstvermittlung: Theater im Internet und LiveActs Im 25. Jahr werkraumtheater, Neustart mit dem Brand die übüFamily: Im Pandemiejahr 2020 musste das Grazer werkraumtheater studio in der Glacisstraße 61A leider schließen. Aber dieÜbüs orientierten sich nach 25 Jahren Kulturschaffen neu und wagten sich an das „Unmögliche“, denn: Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better (Samuel Beckett) Doch jedes Ende hat auch einen Anfang. Man erfindet sich neu bzw. startet mit einem neuen Format durch, der übüFamily. Das Grazer werkraumtheater wurde im Jahr 1995 von Franz Blauensteiner und Rezka Kanzian gegründet und belebte erfolgreich die Freie Szene abseits der Norm. Was ursprünglich als Alternative zu den konventionellen städtischen Theatern ins Leben gerufen wurde, gilt heute, 25 Jahre später, als eigene Marke und steht für ausdrucksstarke Theaterkunst, die eben nicht (nur) unterhalten will, sondern auch berühren soll. Jedes einzelne Stück kennzeichnet eine mehr oder weniger starke, aber konstante Durchzogenheit von Tradition und Geschichte, welche uns etwa berühren mag, teils vielleicht auch unangenehm ist oder gar (un)ästhetisch wirkt. Gerade diese Reichhaltigkeit und Tiefsinnigkeit sind es, welche die Stücke und Projekte des werkraumtheaters so einzigartig machen. – Weg von der Norm und den Vorgaben, die uns die Gesellschaft ein-indoktriniert, hin zur Freiheit und Individualität und schließlich hin zur „freien Kunst“.